Physiknobelpreis 1924: Karl Manne Georg Siegbahn

Physiknobelpreis 1924: Karl Manne Georg Siegbahn
Physiknobelpreis 1924: Karl Manne Georg Siegbahn
 
Der schwedische Physiker erhielt den Nobelpreis für »seine Forschungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Röntgenspektroskopie«.
 
 
Karl Manne Georg Siegbahn, * Örebro (Schweden) 3. 12. 1886,✝ Stockholm 25. 9. 1978; Studium und Assistenz in Lund,1911 Promotion, 1915 außerordentlicher Professor in Lund,1920 Professor der Physik in Lund, 1923 Professor der Physik an der Universität in Uppsala, 1937-64 Professor der Physik und Direktor des Nobelinstituts für Physik, Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften (Stockholm).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Karl Manne Georg Siegbahn, der unter dem Namen Manne Siegbahn publiziert hat, gehört zu den großen Pionieren der Atomphysik. Um die Vorgänge zu verstehen, die zu Siegbahns richtungweisenden Untersuchungen führten, muss man ihren Ursprung in den frühen Experimenten an Röntgenstrahlen suchen. Vor dem Bekanntwerden der Röntgenbeugung durch Max von Laue (Nobelpreis 1914) waren Beobachtungen an Röntgenstrahlen im Wesentlichen auf die Schwärzung von fotografischen Platten oder ihre ionisierende Wirkung auf Gase beschränkt. Hier hat Charles Glover Barkla (Nobelpreis 1917) mithilfe des Ionenstroms die Intensität der Strahlen gemessen und eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht, und zwar durch Untersuchung der so genannten Sekundärstrahlen, die beim Auftreffen der aus der Röntgenröhre austretenden Primärstrahlung auf feste Stoffe entstehen. Bei der Durchdringung dieser Sekundärstrahlung durch dünne Platten hat Barkla festgestellt, dass ihre Absorption abnimmt, wenn das Atomgewicht der die Sekundärstrahlen erzeugenden Atome zunimmt. Barkla bezeichnete diese für die Atomart charakteristische Sekundärstrahlung als »homogen« und hat damit die Strahlen beschrieben, die man später mithilfe von Wellenlängenmessungen als monochromatisch erkannt und mit den Buchstaben K und L belegt hat. Nach der Einführung des Röntgenspektrometers durch William Henry Bragg (Nobelpreis 1915) ist es dem britischen Chemiker Henry Gwynn-Jeffries Moseley gelungen, die von Barkla gefundene »Härte« der homogenen Röntgenstrahlen auf die Frequenz (reziproke Wellenlänge) zurückzuführen und diese eindeutig der Ordnungszahl zuzuordnen, die schon Barkla als Zahl der Elektronen im Atom erkannt hat. Der frühe Tod von Moseley im Ersten Weltkrieg hat die Fortführung seiner Untersuchungen verhindert und den Schwerpunkt der Forschung nach Schweden verlagert.
 
 Anfänge in Lund
 
Siegbahn begann seine Karriere in Lund als Assistent unter dem schwedischen Mathematiker und Physiker Johannes Robert Rydberg, bei dem er 1911 mit einer Arbeit über Magnetfeldmessungen promovierte und dessen Nachfolger er 1920 wurde. Siegbahn zeigte eine außerordentliche Begabung als Konstrukteur von Instrumenten, und so konnte er die Röntgenspektrographen und auch die Röntgenröhren bedeutend verbessern.
 
In Zusammenarbeit mit seinen Schülern hat er die Spektren fast aller Elemente im Periodensystem zwischen Natrium und Uran untersucht. Dabei wurde die bis dahin übersehene Aufspaltung in Multiplets beobachtet.
 
Schließlich hat Siegbahn auch die Wellenlängenabhängigkeit der Röntgenabsorption systematisch gemessen und die so genannten Absorptionskanten beschrieben, die den K-, L- und späteren M-Emissionslinien entsprechen.
 
Der Aufbau der Atome aus einem positiven Kern und stabilen Elektronenbahnen ist 1913 von Niels Henrik David Bohr (Nobelpreis 1922) zur Deutung der optischen Spektren beschrieben worden. Die neu erworbene Kenntnis der Röntgenspektren gab Aufschluss über den Schalenaufbau der tiefer liegenden Elektronen im Atom. Die Röntgenspektren entstehen durch Elektronensprünge von höher liegenden Energieniveaus in tiefer liegende, wobei die frei werdende Energie als Röntgenlicht erscheint. Die für die Röntgenlinien verantwortlichen Elektronenschalen erhielten daher folgerichtig die Bezeichnungen K, L und M. Im Gegensatz zu den optischen Spektren entstehen die Röntgenlinien also durch Übergänge innerer Elektronen, wobei die K-Schale dem Atomkern am nächsten liegt. So ist die Beschreibung der Schalenstruktur der Atome mit zwei Elektronen in der K-Schale, acht in der L-Schale und 18 in der M-Schale, wie wir sie heute kennen, den Untersuchungen von Siegbahn zu verdanken.
 
 Prismen-Brechung und Röntgenbeugung am optischen Gitter
 
Nach seiner Berufung an die Universität Uppsala 1923 hat Siegbahn seine Untersuchungen an Röntgenstrahlen dort fortgeführt. Eine Eigenschaft, die man zu ihrer Charakterisierung vergeblich gesucht hatte, war die optische Brechung am Prisma. Siegbahn ist es dank der hohen Präzision seiner Messungen gelungen, diese Refraktion nachzuweisen, und er hat festgestellt, dass die Brechzahl nur geringfügig unter dem Vakuumwert eins liegt. Aus der Brechung der Röntgenstrahlen folgte auch eine kleine Korrektur an der Bragg'schen Gleichung für Röntgenbeugung am Kristallgitter.
 
Siegbahn hat den Anschluss der Röntgenspektren an die optischen Spektren im Ultraviolett gefunden, da sich diese mit den langwelligen (»weichen«) Röntgenstrahlen überschneiden. Er untersuchte dafür die Röntgenbeugung am optischen Liniengitter, wozu er reflektierende Gitter hoher Präzision mit einer außerordentlich dichten Folge von Strichen brauchte. Um diese Messungen zu ermöglichen, hat er die Maschine konstruiert, mit der die Gitter gefertigt wurden. Damit konnten erstmals die Röntgenwellenlängen direkt auf das Meter bezogen werden.
 
Dadurch ergab sich auch eine Änderung der elektrischen Elementarladung, die von Robert Andrews Millikan (Nobelpreis 1923) aus der Bewegung geladener Öltröpfchen ermittelt wurde. Der Fehler in der Methode von Millikan lag am ungenauen Wert, der für die Luftviskosität angenommen worden war.
 
Durch die hohe Genauigkeit, mit der Siegbahn die Beugungswinkel messen konnte, sind die aus den Versuchen am Kristall entnommenen Werte der Wellenlängen infrage gestellt worden. Siegbahn hat auf die Unsicherheit der Wellenlängenbestimmungen hingewiesen und vorgeschlagen, sie nicht in Ångström-Einheiten, sondern in so genannten X-Einheiten auszudrücken, die auf einen Netzebenenabstand im Kalkspat (CaCO3) bezogen wurden. In der heutigen Literatur ist es üblich, den für die Röntgenwellenlänge verwendeten Wert mit anzugeben und zwar in Nanometer, sodass Ångström nur noch selten und X-Einheiten überhaupt nicht mehr angetroffen werden. Siegbahn hat 1924 seine Erkenntnisse im Buch »Spektroskopie der Röntgenstrahlen« zusammengefasst, mit dem er die angewandte Röntgenspektroskopie begründet hat.
 
Durch seine Berufung an das neu gegründete Stockholmer Institut für Physik der Nobelstiftung im Jahr 1937 begann für Siegbahn ein neuer Lebensabschnitt, in dem er sich neuen Aufgaben in der Kernphysik, Elektronenspektroskopie und Elektronenmikroskopie zuwandte. Diese Tätigkeit hat er erst 1964 im Alter von bereits 78 Jahren niedergelegt.
 
H. Stadelmaier

Universal-Lexikon. 2012.

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